(Re)Präsentation theatraler Konzepte des Daseins. Schauspielerische Erkundungen von Ariane Mnouchkine, Carmelo Bene und Jerzy Grotowski
Projektleitung: Mag. Dr. Gabriele C. Pfeiffer Privatdoz.
Laufzeit: 01.06.2013–31.08.2019
Fördergeber: FWF / Elise Richter Programm
Ausgehend von der anthropologischen Grundfrage des Daseins werden im Forschungs- und Habilitationsprojekt (Re)Präsentation theatraler Konzepte des Daseins. Schauspielerische Erkundungen von Ariane Mnouchkine, Carmelo Bene und Jerzy Grotowski spezifische Theaterformen hinsichtlich philosophischer wie historisch-anthropologischer Diskurse untersucht. Im Fokus steht dabei eine seit den 1970er Jahren wiederholt erprobte Theaterpraxis, deren Spuren und Auswirkungen es bis heute sichtbar zu machen gilt. Ziel ist es daher, ein Instrumentarium für eine erweiterte Diskursivierung von Schauspielkunst sowie für eine erweiterte Aufführungs- und Inszenierungsanalyse zu entwickeln. Damit werden Theorien zu Schauspielkunst abseits bekannter Interpretationsmethoden und Deutungsmuster gelesen und ein re-aktualisiertes Wahrnehmungsdispositiv für Schauspiel und Theater ausgearbeitet.
Bisher stellen verschiedene philosophisch wie auch biologisch-humanmedizinisch geprägte Disziplinen die Humanitas ins Zentrum ihrer Forschung. Erstaunlicherweise kulminieren die unterschiedlichen Zugänge, Methoden und Ergebnisse im finalen unauflösbaren Rest, dem Tod. Diese im abendländischen Kontext fortwährende Kränkung an jedem einzelnen Subjekt erfordert verschiedenste Bewältigungsstrategien und Techniken – je nach kulturellem Feld, Ort und Zeit. Eine theaterwissenschaftliche Perspektive auf dieses Dilemma des Sterben-Müssens zeigt, dass die dem Menschen innewohnende Konstante eines Spieltriebs als eine Variante das Schauspielen bietet, d.h. Schauspielkunst als eine Möglichkeit im Umgang mit dem Wissen um endliche Existenz. Nicht nur, dass Schauspielende stellvertretend für andere agieren, verweisen sie gleichsam auf "eine andere Welt". Welche Konzepte sie dabei offerieren, wird in vorliegendem Projekt anhand von drei Theaterschaffenden untersucht: Ariane Mnouchkine (*1939) mit ihrem Theaterkollektiv "Théâtre du Soleil", Carmelo Bene (1937–2002) mit seinem "Non-Teatro" und Jerzy Grotowski (1933–1999) mit seiner Konzentration auf "art as vehicle". Die analytisch systematische Forschungsarbeit stützt sich dabei auf theateranthropologische Studien von Eugenio Barba in Dänemark mit seinem Odin Teatret und der ISTA (International School of Theatre Anthropology) als auch auf die vorgelegten Studien von Piergiorgio Giacchè, Perugia, zur Schauspielmaschine (Antropologia di una macchina attoriale 1997) sowie auf jene der Theaterwissenschafterin Gerda Baumbach (Schauspieler, Historische Anthropologie des Akteurs 2012 sowie Hrsg. v. Theaterkunst und Heilkunst 2002) in Leipzig, deren umfassende Forschungen im Kontext historisch-anthropologischer Studien anzusiedeln sind.
Zusätzlich wird für die hermeneutische Annäherung ein Methodenbündel mit interdisziplinärem Anspruch herangezogen; einerseits indem sich die Arbeit an poststrukturalistischen Forschungen (J. Baudrillard, J. Butler, H. Cixous, G. Deleuze, S. Zižek) orientiert und an Historische Anthropologie (C. Wulf) anlehnt sowie andererseits die bereits in der Sportwissenschaft angewandten Ergebnisse aus der Psychologie und Neurobiologie zu den flow-Erfahrungen (M. Csikszentmihalyi, G. Hüther) Berücksichtigung finden. Es werden deren Ergebnisse theaterwissenschaftlich auf die Schauspielkunst, resp. Schauspielenden angewandt, um das heutige Wissen über das menschliche Dasein, die Frage nach dem historisch-kulturellen, gesellschaftlichen Subjekt und seine Verzweiflung, die sich in den schauspielkünstlerischen Interpretationen (re)präsentieren, zu thematisieren.
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